#CoronaSchule – Pandemiefeste Bildung ist nicht überall gleich

#CoronaSchule – Pandemiefeste Bildung ist nicht überall gleich

Die letzten Wochen und Monate waren im Bildungssystem von Unsicherheit und sich ständig ändernden Regeln geprägt. Ist das normal in einer Krise? Muss Bildung in einer pandemischen Lage genau so sein?

Ich bin der Ansicht, dass die Unsicherheit in einer Pandemie zwar ständiger Begleiter ist, aber nach einem Jahr Pandemie ist es an der Zeit, konsequente Konzepte aufzustellen. Die Erfahrung müsste doch lange da sein. Wo Unsicherheit ist, müssen Regeln so lange wie möglich ihre Gültigkeit behalten und Kommunikation muss klarer sein, als zu jeder anderen Zeit.

Aktionen wie in der vergangenen Woche sind für das Vertrauen in Politik tödlich. Nachdem wir knapp zwei Wochen über eine neue Verordnung und die Öffnung der Schulen gesprochen und diskutiert haben, werden plötzlich die Regeln geändert. Von einer Verknüpfung der Inzidenz an die Schulöffnung war zuvor keine Rede.

Wir haben gesehen, welche Kreativität die Schulen aufgrund der Notsituation entwickelt haben. Den Schulen sollte daher nun das Vertrauen entgegen gebracht werden, damit sie sich in der Situation behaupten können. Dafür braucht es einen einfachen Rahmen, in dem sich alle entsprechend den Gegebenheiten vor Ort frei bewegen können. Und dieser Rahmen muss unabhängig von Inzidenzen einfach durchgehalten werden.

Testen bis wir impfen können

Worüber ich bei pandemiefester Bildung erst einmal gar nicht spreche – weil es sich eigentlich von selbst erklärt – sind die Themen Testen und Impfen. Natürlich muss das pädagogische Personal so schnell wie möglich die Chance erhalten, sich impfen zu lassen. Und so lange das noch nicht sicher gestellt werden kann, müssen wir das Testen als Brücke nutzen. (So hat es die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey heute früh auch im Fernsehen gesagt.)

Aktuell gibt das Land beim Testen übrigens die Verantwortung wieder einmal nach unten ab. Die Schulen sollen sich mit Arztpraxen zusammentun und das Testen dann gemeinsam organisieren. Das ist für mich keine Strategie. Es braucht klare Regeln und Unterstützung bei der Umsetzung. Schulen lösen ohnehin schon ausreichend nebenschulische Probleme vor Ort. Irgendwann ist auch mal Schluss.

Was ich damit meine, wenn ich von pandemiefester Bildung spreche

Meine Vorstellung von pandemiefester Bildung hat mehrere Säulen. Die Zielstellung besteht dabei immer darin, Bildungs- und Betreuungsangebote aufrechtzuerhalten und dabei Kontakte zu minimieren und die Ausbreitung des Virus durch reduzierte Mobilität einzudämmen. Wie kann dies nun in Bildung funktionieren? Die Forderungen sind eigentlich bekannt. Ich werde sie weiter unten aber noch einmal erläutern und verdeutlichen.

  1. Es werden zusätzliche Räumlichkeiten außerhalb der Schulgebäude für Unterricht und Betreuung genutzt.
  2. Räume werden so pandemiefest wie möglich ausgestattet.
  3. Der Schulbusverkehr wird entzerrt bzw. der Fahrgastandrang möglichst reduziert.
  4. (Digitaler) Distanzunterricht wird stabil ermöglicht mit ausreichendem Kontakt zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern.
  5. Zusätzliche Bildungsangebote werden auf allen nur möglichen Kanälen zur Verfügung gestellt.

„Aber wie ist das umsetzbar?“, höre ich jetzt einige fragen.

Lernen außerhalb der Schule

Bei der Frage nach den Räumlichkeiten außerhalb der Schule geht es vorrangig darum, Kindern auch in Pandemiezeiten einen Ort anzubieten, an dem sie gemeinsam lernen können. In vielen Familien steigt der Druck, weil Eltern neben Hausarbeit und Erwerbsarbeit auch die Unterrichtsbetreuung der Kinder übernehmen müssen.

Es geht also nicht nur um das Bildungs- sondern auch um das Betreuungsangebot. Um die Grundschulen zu entlasten, könnte man die Kinder aus den Ortsteilen oder umliegenden Gemeinden eben nicht im Bus zur Grundschule fahren, sondern während der Pandemie im Gemeindehaus oder Pfarrhaus oder in der Dorfgaststätte zusammenholen und Bildung dort ermöglichen. Meist wohnt sogar noch eine Lehrkraft im Dorf, die dann auch einfach vor Ort bleibt.

Das geht natürlich nicht im üblichen Klassenverband und auch nicht streng nach Curriculum. Aber man ließe die Kinder gerade in dieser wichtigen Schulphase nicht allein mit ihren Fragen und mit ihren Erfolgen. Je nach Situation wäre es eine hervorragende Ergänzung zu einem Wechselmodell oder aber die Möglichkeit, in den Grundschulen Platz für diejenigen zu schaffen, die im Umkreis wohnen.

Gerade die Kleinen arbeiten zumeist mit den Arbeitsheften und weniger mit digitalen Angeboten, so dass auch die Anforderungen an die technische Infrastruktur an den ergänzenden Lernorten gar nicht so wahnsinnig hoch sein müssen.

Bei den älteren Schülerinnen und Schülern sieht das sicher anders aus. Aber auch hier ließen sich Ausweichquartiere in Bibliotheken oder Jugendclubs finden. Auch hier reden wir über Distanzunterricht, aber eben in einer Atmosphäre abseits vom Küchentisch.

Pandemiefeste Räume für Bildung

Aber was brauchen die Räume denn, damit dort Kinder lernen können? Wir schauen ja auch nicht in die Wohnzimmer der Familien und stellen dort Anforderungen.

Die Luft in Klassenzimmern ist nicht erst seit der Pandemie ein Thema. Der Sauerstoffgehalt in einem mit 30 Personen besetzten Raum sinkt minütlich. Und das ist für das Lernen nicht gut. Daher wäre es einfach generell eine gute Idee, Luftreinigungsfilter einzubauen oder mobile Exemplare zu verteilen. Das kostet Geld. Aber an dieser Stelle sollte es vielleicht vorhanden sein. Es geht ja um die Gesundheit aller und das nicht nur während der Pandemie.

Distanzunterricht überall

Für den Distanzunterricht müssen einfach alle Kräfte gebündelt und alle Möglichkeiten genutzt werden. Da sind wir nach meiner Einschätzung noch nicht beim Optimum. Nach einem Jahr Pandemie strahlt der mdr immer noch keine Schulstunden aus. Und natürlich können hier nicht alle Fächer in allen Klassenstufen abgehalten werden. Aber es können inhaltliche Schwerpunkte gebildet werden. Und die Lehrkräfte haben Material, auf das sie verweisen können. Mit dem können sie dann im Distanzunterricht weiterarbeiten.

Über die Verfügbarkeit von digitalen Ressourcen ist oft genug gesprochen worden. Die Lernmanagementsysteme müssen funktionieren und wenn sie nicht funktionieren, muss es Alternativen geben. Es muss einfach sichergestellt sein, dass die Schülerinnen und Schüler jederzeit an ihre Aufgaben kommen und diese auch bearbeiten können.

Der wichtigste Faktor für erfolgreiche Bildung ist nach wie vor der Kontakt zur Lehrkraft. Und so muss es auch in der Pandemie immer wieder eine Konsultationsphase geben. In welcher Form auch immer die Schulen bzw. die Lehrkräfte das anbieten können.

Pandemiefest heißt nicht „überall gleich“

Eines sollten wir uns aber immer bewusst sein. In einer Krisensituation werden wir keine einheitlichen Standards ermöglichen können. Noch mehr als sonst hängt das Mögliche von denen ab, die es vor Ort möglich machen. Und machen wir uns doch nichts vor. Auch in der Schule unter normalen Bedingungen war es an einigen Standorten besser als an anderen. Das eine hat für die eine Schülerin gut gepasst, für den anderen Schüler war es überhaupt nicht hilfreich.

Das heißt, nicht überall werden die Möglichkeiten so vielfältig umsetzbar sein. Auch nicht die, die ich in diesem Beitrag beschreibe. Aber überall, wo sie möglich sind, schaffen sie Luft zum Atmen für alle Beteiligten.

Was heißt das nun für die Aufgabenteilung im Bildungssystem in der Pandemie? Die Entscheidungen, wer an welcher Stelle betreut wird, sollten die Schulen gemeinsam mit den kommunalen Trägern und allen vor Ort aktiven Instanzen koordinieren. Das Land kümmert sich dann intensiv um Inhalte für die Fernseh- und Internetangebote, bietet digitale Fortbildungen und Hilfestellung für Lehrerinnen und Lehrer an und unterstützt an den Stellen, an denen die Möglichkeiten nicht so vielfältig ausgenutzt werden können. Die digitalen Unterrichtsstunden müssen auch nicht nur von einer Klasse besucht werden, sondern verschiedene Schülerinnen und Schüler aus allen Thüringer Schulen können daran teilnehmen. So könnte eine Art Thüringer Universität für Allgemeinbildung für alle entstehen. 😉

Und damit wird die Pandemie plötzlich zum Katalysator für ein modernes Bildungssystem, das Freiraum vor Ort in den Schulen lässt und den Kindern individuelle Angebot zum Lernen und Entwickeln gibt.