Berufsschulen sind Talentschmieden und Bildungsunternehmen

Als ich im März beim ersten Berufsschulsymposium der Nordthüringer Berufsschulen dabei sein konnte, ging mir bei ganz vielen Forderungen der Schulleitungen das Herz auf. Geladen hatten die Landräte und Berufsschulleitungen aus dem Kyffhäuserkreis, dem Unstrut-Hainich-Kreis und den Landkreisen Eichsfeld und Nordhausen. Es war eine spannende Gästeschar beisammen, unter anderem vertrat Ministerpräsident Bodo Ramelow die Landesregierung. Die Berufsschulzentren warben dafür, dass sie als Berufsschulregion Nordthüringen mehr Eigenverantwortung und Handlungsspielraum erhalten. Sie streben dahingehend eine „Musterregion Nordthüringen“ an.

Berufsschulen fordern mehr Eigenverantwortung

Bildung ist eine der wichtigsten Ressourcen in Deutschland. Insbesondere in Thüringen spielen Berufsschulen eine wichtige Rolle bei der Ausbildung von Fachkräften. Doch wie können Berufsschulen zukunftsfest gestaltet werden und wie kann man junge Menschen dafür begeistern, eine Karriere in der dualen Berufsbildung zu wählen?

Jens Ritter, Schulleiter des Berufsschulcampus Unstrut-Hainich in Mühlhausen war sehr deutlich in seiner Darstellung. Allein die Größe der Berufsschulen und die Vielfältigkeit der Ausbildungsangebote macht die Berufsschulzentren zu Bildungsunternehmen. Das einzige Problem: den Handlungsspielraum, den Unternehmer haben, haben die Schulleitungen nicht.

Dabei werden so viele Problemlagen der Berufsschulen nur von denjenigen vollumfänglich erfasst, die in einer Berufsschule arbeiten. Allein am Berufsschulcampus Unstrut-Hainich werden 44 Ausbildungsgänge angeboten und ca. 2300 Schüler von 160 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. In den unterschiedlichen Berufsfeldern sind Lehrkräfte mit ganz verschiedenen persönlichen und beruflichen Werdegängen im Einsatz. Und doch sollen die gleichen Regeln gelten wie für allgemeinbildende Schulen?

Für uns Freie Demokraten ist das Thema Eigenverantwortliche Schulen ein Herzensthema. Und auch wir sehen ein großes Potenzial darin, bei den Berufsschulen anzufangen und diesen sowohl in der Umsetzung des jeweiligen Schulprofils als auch in der Personal- und Budgethoheit viel mehr Eigenständigkeit zu gewähren. Umso mehr unterstütze ich den Vorschlag der Vertreterinnen und Vertretern der Berufsschulzentren in Nordthüringen, die verschiedenen Ansätze als Pilotregion einfach mal auszuprobieren.

Multiplikatoren für digitalen Unterricht

Carmen Lederer, die Schulleiterin des Berufsschulzentrums in Sondershausen wies besonders auf die Herausforderungen der Digitalisierung hin. Insbesondere fehlen in den Schulen Experten, die den Prozess der Digitalisierung steuern und den Lehrkräften in technischen Fragen zur Seite stehen. Dabei geht die Technik an Berufsschulen über die üblichen Computer und Internetanschlüsse hinaus. Wir sprechen darüber hinaus über berufsfeld-spezifische Maschinen wie CNC-Maschinen, 3D-Drucker und vieles mehr. Wo so viel unterschiedliche Technik im Einsatz ist, braucht es Fachkräfte, die sich um Wartung und Administration kümmern. Das sollten Lehrkräfte nicht nebenbei machen müssen.

Doch Frau Lederer ging darüber hinaus und fordert einen Multiplikator für digitalen Unterricht. Eine spannende Idee, die wir Freie Demokraten bereits einmal im Landtag diskutieren wollten, leider mit wenig Erfolg. Wir hatten es Digitalpädagogen genannt. Die Ansätze ähneln sich.

Dabei ist das Verständnis für Multiprofessionalität an Berufsschulen allein schon durch die vielen Ausbildungsgänge und die dort eingesetzten Lehrkräfte aus der Praxis Gang und Gäbe. Die Kenner aus den Berufsfeldern wissen, wen und was es braucht, um die Verwaltung der Schule und die Administration der IT sicherzustellen. Es muss nun eine Öffnung erfolgen, damit der Einsatz entsprechender Fachleute für die anfallenden Aufgaben ermöglicht wird.

Hidden Champions brauchen Fachleute

Eine Zukunftssicherheit für junge Menschen können wir nur durch eine adäquate Ausbildung und lebenslanges Lernen erreichen. Dazu gehört die enge Verbindung zwischen Berufsschule und Unternehmen, aber auch der Ausbau von Strukturen für berufliche und persönliche Fortbildung. Hier sind alle Akteure der Thüringer Berufsbildungslandschaft gefragt.

In Thüringen gibt es mehr als 60 Weltmarktführer, die dringend Fachleute brauchen für den Erhalt ihres Standes im Weltmarkt und für die Weiterentwicklung von Produkten und Unternehmensstrukturen. Was genau in den Berufsschulen also gelehrt werden muss, ergibt sich aus den Herausforderungen, denen sich Unternehmen gegenüber sehen. Die Nähe und die gute Vernetzung von Berufsschulen in der jeweiligen Region legt den Grundstein für eine gute Ausbildung. Denn Hidden Champions brauchen auch in Zukunft Fachkräfte.

Berufsorientierung geht nur mit den Unternehmen

Im besten Falle gewinnen Unternehmen diese Nachwuchsfachkräfte so früh wie möglich aus der Region und halten sie so in Thüringen. In Nordthüringen hat sich die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure bereits mehr als einmal ausgezahlt. Mit dem Projekt „TIP – Tag in der Praxis“ vernetzen die Akteure Schulen und Unternehmen, um nachhaltig auf die Ausbildungsangebote in Nordthüringen aufmerksam zu machen. Davon profitieren auf der einen Seite die Schulen, weil sie so eine hohe Praxisorientierung in der Schule sicherstellen können. Die Unternehmen lernen potentielle Auszubildende ganz persönlich kennen und erleben sie über einen längeren Zeitraum. Und die Schülerinnen und Schüler wissen am Ende nicht nur, was sie beruflich machen wollen, sondern haben auch eine Idee, wo in der Region das möglich ist. Eine Win-Win-Win-Situation, von der auch Thüringen als Ganzes profitiert.

Beste Berufsausbildung braucht beste Berufsschullehrer

Ein weiteres Thema des Symposiums war die Zukunft der Berufsschullehrer. Derzeit gelingt es kaum, junge Menschen in ausreichender Zahl für diesen Beruf zu begeistern. Es wurden viele Vorschläge diskutiert, wie Anreize gesetzt werden könnten, angefangen bei Stipendien für das Berufsschullehramt bis hin zu mehr Aufstiegschancen und entsprechend dotierten Funktionsstellen. Klar ist: Wenn wir die besten Lehrkräfte in den Berufsschulen sehen wollen, müssen wir die besten Köpfe dazu motivieren, den Beruf in Erwägung zu ziehen. Dabei geht es sowohl um grundständige Berufsschullehrer als auch diejenigen, die nach einer erfolgreichen beruflichen Karriere als Fachpraxislehrer in den Berufsschulen weitermachen.

Mein Fazit

Ich nehme viele Impulse und gute Ideen mit aus dem ersten Berufsschulsymposium. Ich fühle mich in dem Vorhaben unterstützt, die Berufsschulen in ihrer Eigenständigkeit zu stärken. Und ich ziehe meinen Hut vor den vielen engagierten Lehrkräften im berufsbildenden Bereich, die dafür Sorge tragen, dass unseren Unternehmen die Fachkräfte nicht ausgehen.