Warum es die schulische Abschlussprüfung an der Berufsschule aus unserer Sicht nicht braucht

Wir haben ja in unserer Pressemitteilung neulich bekannt gegeben, dass der Bildungsausschuss unsere Forderung nach der Abschaffung der schulischen Abschlussprüfung in der Berufsschule unterstützt hat. Daraufhin kursierten eine Menge Gerüchte und die Frage, ob wir jetzt die Berufsschule schleifen lassen wollen und ob Leistung bei uns keine Rolle mehr spielt.

Das muss ich unbedingt aufklären. Denn gerade weil wir die Berufsschule so wichtig finden, müssen wir die Prozesse immer wieder auf Sinnhaftigkeit hinterfragen. Und bei der schulischen Abschlussprüfung in der Berufsschule sind wir auf ein Konstrukt gestoßen, dass mehr Arbeit macht als Nutzen bringt. Deswegen habe ich in Vertretung der Freien Demokraten im  Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport darauf hingewirkt, dass die Abschaffung der schulischen Abschlussprüfung beschlossen wird. Warum? Das erläutere ich gern.

Doppelstruktur ohne Auswirkung

Vor allem in den Berufsfeldern, die mit einer Prüfung der Industrie- und Handelskammer abgeschlossen werden, erleben sowohl Lehrkräfte in den Berufsschulen als auch die Schülerinnen und Schüler in der Prüfungszeit eine doppelte Belastung. Schülerinnen und Schüler legen die bundesweit einheitlichen Prüfungen der IHK ab und müssen gleichzeitig im Rahmen der schulischen Abschlussprüfungen verschiedene allgemeinbildende Fächer absolvieren. Die Lehrkräfte sind in den Prüfungskomitees der Kammern engagiert und bearbeiten damit sowohl die Prüfungen der Kammer als auch die an der Berufsschule.

Die schulische Abschlussprüfung spielt am Ende aber für den Berufsabschluss keine Rolle. Man kann zwar beantragen, dass die Note auf dem Abschlusszeugnis zu finden ist, wenn der Schüler aber die schulische Abschlussprüfung nicht besteht, kann er trotzdem die Kammerprüfung bestehen und damit seinen Berufsabschluss in der Tasche haben. Wozu also machen wir das dann?

Schulabschluss statt Abschlussprüfung

Die schulische Abschlussprüfung ist natürlich nicht ganz ohne Wirkung. Sie spielt im Falle von Weiterbildungen oder nachgeholten Schulabschlüssen eine Rolle. Denn mit dem erfolgreichen Abschluss der Berufsschule können Schülerinnen und Schüler einen Hauptschul- oder Realschulabschluss nachholen. Und ohne diese Schulabschlüsse sind dann später teilweise die Wege zu Weiterbildungsmaßnahmen verschlossen. Diese Herausforderung lösen aber auch andere Bundesländer ganz ohne schulische Abschlussprüfung. Die Abschlussnote der Berufsschule ergibt sich einfach aus den Leistungsnachweisen im Laufe der Schullaufbahn.

P.S. Übrigens sind wir mit Baden-Württemberg eines der letzten Bundesländer, dass noch eine schulische Abschlussprüfung hat.

Ohne Prüfung keine Motivation?

An dieser Stelle kommt gern das Argument, dass die Auszubildenden nicht motiviert wären, wenn es am Ende keine Prüfung gibt. Das Argument lasse ich nicht gelten. Denn, wenn die Prüfung in der Berufsschule für den Abschluss gar keine Rolle spielt, ist das Motivations-Argument schwer zu halten. Motiviert es umgekehrt nicht viel mehr, im Unterricht mitzuwirken, wenn alle schulischen Leistungen für den Berufsschulabschluss (das Zeugnis mit dem Notendurchschnitt bleibt ja) relevant sind?

Das Handwerk prüft meisterhaft

Besonders die Handwerkskammern finden unseren Vorschlag nicht so gut. Das hat gute Gründe. Die Handwerkskammern in Thüringen haben schon längst ein fantastisch funktionierendes gemeinsames Prüfungssystem für den Ausbildungsabschluss entwickelt. Hier werden nämlich bereits für die einzelnen Berufsfelder gemeinsame Abschlussprüfungen organisiert, die sowohl Inhalte aus der beruflichen Fachtheorie als auch aus der Berufsschule abfragen. Und berechtigterweise fragen sich nun die Verantwortlichen, wie sich eine geänderte Berufsschulordnung auf diese Prüfungsstruktur im Handwerk auswirkt. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob sie weiterhin diese gemeinsame Prüfungserstellung mit den Berufsschullehrkräften umsetzen dürfen. Es geht Ihnen auch um Fairness, wenn für Auszubildende im Handwerk schulische Inhalte prüfungsrelevant sind und für die Auszubildenden in Industrie und Handel nicht.

Vorteile der Abschaffung überwiegen

Wir kennen diese Sorgen. Die Argumente sprechen aus meiner Sicht aber gar nicht für das bedingungslose Festhalten an der schulischen Abschlussprüfung. Eigentlich sprechen sie für eine enge Zusammenarbeit zwischen Kammern und Berufsbildenden Schulen nicht nur bei der Prüfungserstellung. Für diese Zusammenarbeit setze ich mich sehr gern ein.

Beim Abwägen der Argumente überwog für uns das Ziel, Vereinfachung in den Berufsschulen für Lehrkräfte und Auszubildende zu schaffen. Verstärkend ist für uns die Tatsache, dass die schulische Abschlussprüfung keine wirkliche Auswirkung auf den Berufsabschluss hat. Damit sprechen wir den Berufsschulen nicht die Bedeutung ab. Sie sind wesentlich für unser international anerkanntes Modell der dualen Ausbildung.

Wie es weiter geht

Dieser Beschluss des Bildungsausschusses muss nun durch das Plenum des Thüringer Landtags bestätigt werden. Und dann ist es Aufgabe der Landesregierung und damit des Bildungsministeriums, diese Forderung umzusetzen. Denn die Berufsschulordnung ist Angelegenheit des Ministeriums. Ich erhoffe mir eine sehr sensible Umsetzung, die auch die Umstände bei den Handwerkskammern berücksichtigt. Das ist eine gute Gelegenheit, die Regelungen im berufsbildenden Bereich auf die Prüfstand zu stellen.

Hier findest Du die Beschlussempfehlung des Ausschusses, in der die Abschaffung der schulischen Abschlussprüfungen gefordert wird (Seite 6 oben). 

Und hier ist noch der Link zur Pressemitteilung der Freien Demokraten zum Thema.