Spannend war ja schon die Wahlnacht, in der die Freien Demokraten ganz schön lange bibbern mussten, ob wir denn nun eine Landtagsfraktion stellen, oder nicht. Mit einem ganz knappen Ergebnis begann so mein erstes Jahr als Abgeordnete des Thüringer Landtags.
Im Rückblick war dieses Jahr nicht nur für mich persönlich, sondern auch politisch sehr ereignisreich. Sicherlich hätte man ruhiger in die Aufgaben einer Abgeordneten hineinwachsen können. Aber was uns nicht umbringt, macht uns härter.
Wie läuft das so im Parlament?
Für mich persönlich war es eine sehr steile Lernkurve. Ich musste lernen, wie der Parlamentsbetrieb funktioniert. Was macht ein Ausschuss? Wie funktioniert eine Anhörung? Welche Rechte und Pflichten haben Abgeordnete? Und es gab noch viele Fragen mehr. Das Lernen umfasste aber auch das Reden vor dem Parlament, das Entwickeln eigener Initiativen und die Arbeit an eigenen Gesetzentwürfen.
Es gibt aber auch generell viele Dinge, die einem außerhalb des Landtags gar nicht so bewusst sind. Oder wusstet Ihr, dass jede Plenarsitzung live im Internet übertragen wird? Den Livestream kann man gut über die Website des Thüringer Landtags verfolgen.
Bevor die Corona-Pandemie zuschlug, gab es auch noch die sogenannten „Besuchergruppen-Gespräche“. Das war am Anfang sehr aufregend. Dort sitzt man mit Vertretern der anderen Fraktionen vor den Besuchergruppen und beantwortet Fragen. Manchmal werden das richtig hitzige Streitgespräche. Es ist eine gute Sache, dass Menschen den Landtag besuchen und die Abgeordneten befragen können.
Am liebsten im Gespräch mit Euch
Nach wie vor ist der schönste Teil für mich das Gespräch mit den Menschen in Thüringen. Ich glaube, in keiner anderen Funktion erfährt man so viel über unterschiedliche Lebenskonzepte und die damit verbundenen Herausforderungen der Menschen. Im Sommer zum Beispiel war ich mit den Thuringia Bulls unterwegs. Die Thüringer Rolli-Basketballer sind Teil eines Projektes, mit dem sie die Themen Sport und Inklusion in die Schulen tragen. Das war eine spannende Woche mit echten Ausnahme-Athleten.
Schon allein deswegen sollte aus meiner Sicht, jeder einmal eine parlamentarische Funktion übernehmen und sei es nur für eine Legislaturperiode. Das würde möglicherweise auch zu einem besseren Verhältnis zwischen Parlament und Zivilgesellschaft beitragen. 😉
Nicht immer kann ich dabei helfen, Probleme zu lösen. Das liegt darin begründet, dass Abgeordnete nur ein kleines Rädchen im Politischen System sind. Vor allem in kleinen Fraktionen müssen die Abgeordneten ein ganz schönes Arbeitspensum bewältigen. Und manchmal bleiben dabei auch einige Themen auf der Strecke. Aber es gibt immer die Möglichkeit, uns Abgeordnete für Problemlagen von Menschen zu sensibilisieren, die bei manchen Entscheidungen nicht im Blickfeld sind. Es hat mir viel Spass gemacht, für Euch unterwegs zu sein.
Bildungspolitik
Besonders intensiv habe ich mich in diesem Jahr mit der Digitalisierung der Schule beschäftigt. Mir ist dabei besonders wichtig, dass wir nicht einfach Technik in die Klassenräume „werfen“, ohne uns vorher Gedanken zu machen, wie die Systeme mit welcher Zielstellung zum Einsatz kommen sollen. Doch bis heute sind hier nach wie vor die Zuständigkeiten nicht geklärt. Bereits im April 2020 haben wir als Fraktion einen Antrag eingebracht, der dafür sorgen soll, dass Lehrerinnen und Lehrer sich im digitalen Unterricht rechtssicher bewegen können. Gerade an diesem Antrag zeigt sich aber auch die Langwierigkeit der parlamentarischen Arbeit. Da auch die anderen Fraktionen zu dem Thema etwas erarbeiten wollten, wartete der Antrag im Ausschuss und die Anhörung fand erst im Dezember 2020 statt. Das heißt, dass die Entscheidung zur digitalen Schule wohl erst im neuen Jahr getroffen wird.
Ein weiteres Thema, das mich in diesem Jahr beschäftigt hat, war die Finanzierung der freien Schulen. Hier war eine Neuerung notwendig und das Parlament musste hier sehr kurzfristig die Kohlen aus dem Feuer holen, weil das Ministerium es versäumt hatte, die Verhandlungsergebnisse mit den Freien Schulen rechtzeitig in den gesetzgeberischen Prozess zu bringen. Die entsprechende Gesetzesänderung kommt nun im Dezember 2020 noch ins Plenum, so dass die finanzielle Grundlage für die Freien Schulen auch im nächsten Jahr gesichert ist.
Verfassung und Justiz
Neben der Bildungspolitik habe ich mich in diesem Jahr auch viel mit dem Justizbereich und mit unserer Thüringer Verfassung beschäftigt. Es liegen momentan so viele Vorschläge für Verfassungsänderungen im Ausschuss, dass es in Anbetracht einer möglichen Wahl im April 2021 gar nicht so recht möglich ist, sich angemessen mit den Vorschlägen auseinanderzusetzen und vor allem auch die Begutachtung von Fachleuten einzuholen. Schade ist, dass wir relativ wenig Rückmeldung gerade von den Verfassungsrechtlern zur Debatte erhalten haben. Das ist den kurzfristigen Zeitplänen und der großen Menge an Themenkomplexen geschuldet. Wir werden sehen, welche Änderungen schlussendlich noch eine Mehrheit finden. Auf jeden Fall hat mir diese Arbeit die Bedeutung der Verfassung noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt.
Die Verfassung hat aber auch einen ganz praktischen Ausleger, nämlich den funktionierenden Rechtsstaat. Als Mitglied des Justizausschusses ist es mir sehr wichtig, dass die Zukunft des juristischen Apparates gesichert ist. Wir stehen vor einem Generationswechsel in vielen Bereichen, vor allem aber auch bei den Richtern und Staatsanwälten. Hier habe ich den Plan der Regierung hinterfragt, wie sie diesen Generationswechsel gestalten will. Auch zur Situation der Gerichtsvollzieher habe ich einige Anfragen gestellt, um hier auch auf die Herausforderungen dieser Berufsgruppe aufmerksam zu machen. Diese werden manchmal vergessen. Dabei finden sie sich oft in ganz kritischen Situationen wieder und müssen diese allein bewältigen. Zum Beispiel in der Pandemie.
Pandemie
Die Zeit des ersten Lockdowns war für mich persönlich ganz schwierig, weil ich meine eigene Rolle als Abgeordnete nochmal neu definieren musste. Was ist Aufgabe einer Abgeordneten der Opposition in einer Zeit, in der die Exekutive eigentlich allein agiert? In Krisensituationen muss ja teilweise sehr schnell entschieden werden und eine Debatte im Parlament ist bekanntermaßen eine langfristigere Angelegenheit. Ich bin sehr froh, dass in der zweiten Hälfte der Pandemie jetzt mittlerweile ein Weg gefunden wurde, das Parlament einzubeziehen. Es kann doch nur helfen, wenn wir Abgeordnete die Sichtweisen und Herausforderungen der Bürgerinnen und Bürger mit einbringen können. Denn ich sehe es schon als unseren Auftrag, ganz nah dran zu sein. So versuche ich auch ein bisschen als Sprachrohr zu fungieren und Informationen an alle weiterzureichen, die zum Beispiel von Einschränkungen betroffen sein könnten. Wer möchte, darf sich dieser Informationskanäle gern bedienen. Ihr könnt meinen Newsletter abonnieren oder mir Eure Nummer schicken, damit ich Euch in meinen WhatsApp-Broadcast aufnehme.
Bildungs-Pop-Up-Store
Und dann war da ja noch der Pop-Up-Store. Im Sommer haben wir uns Corona zum Trotz dazu entschlossen, einen Pop-Up-Store in der Innenstadt von Erfurt zu eröffnen und so die bildungspolitischen Themen der Freien Demokraten „auf die Straße zu bringen“. Es waren interessante drei Monate. Ich habe tolle Gespräche mit Euch geführt und wir haben noch einmal einen guten Überblick erhalten, wo es im Bildungssystem hakt. Leider mussten wir dann Mitte Oktober in einen digitalen Raum umziehen und konnte nur noch in kleinen Runden im Pop-Up-Store zusammenkommen. Vieles hat in Videokonferenzen stattgefunden, wie so viele andere Sitzungen auch. Aber die Mühe hat sich auf jeden Fall gelohnt. Ich bin sehr stolz auf die Ergebnisse und plane jetzt eine Galerie-Tour mit den bildungspolitischen Thesen. Ihr könnt gespannt sein.
Haushalt und Neuwahl
Jetzt geht es straff auf das Ende des Jahres zu. Wenn Ihr dies hier zu Lesen bekommt, haben wir wahrscheinlich den Haushalt für 2021 schon beschlossen. Das war keine unspannende Debatte und vor allem war es ganz schön viel Arbeit für alle Beteiligten in der Fraktion.
Jetzt steht noch die große Frage im Raum, ob es Neuwahlen gibt oder nicht. Sicher wisst Ihr, dass das Parlament sich dafür im Februar mit einer 2/3 Mehrheit für eine Auflösung des Parlaments aussprechen muss. Es müssen 30 Abgeordnete den Antrag auf Auflösung stellen und 60 Abgeordnete müssen ihm zustimmen. Ich bin gespannt, ob wir in wenigen Monaten wieder in den Wahlkampf gehen müssen. Am Ende entscheidet Ihr, ob Ihr uns weiterhin im Parlament sehen wollt. Ihr wisst ja, jede Stimme zählt.
Ich freue mich auf jeden Fall auf die weitere Arbeit und wünsche allen einen ruhigen besinnlichen Jahreswechsel, frohe Weihnachten und bleibt unbedingt gesund.